Exquisit — Kunst des 19. Jahrhunderts

Schenkung Jan und Friederike Baechle

20 Nov 20 — 26 Sep 21

Hans Thoma, Erinnerung an Orte, 1874, Sammlung Jan und Friederike Baechle. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Mit „klein aber fein“ umschrieben Jan und Friederike Baechle selbst ihre Sammlung. Damit treffen sie den Kern ihrer über Jahrzehnte behutsam aufgebauten Sammlung. Sie bietet herausragende Qualität, hegt aber nicht den Anspruch, ein eigenes Museum zu füllen. Im Mittelpunkt ihres Sammlerinteresses stand das „lange 19. Jahrhundert“ mit all seinen unterschiedlichen Facetten. Die Künstlerliste der 27 Werke weist signifikante Positionen der Kunst des 19. Jahrhunderts auf und stellt als testamentarische Schenkung eine ideale Ergänzung für den vorhandenen Bestand des Museums Wiesbaden dar. Entsprechend werden die Werke gemeinsam mit ausgewählten Arbeiten des 19. Jahrhunderts aus dem Museum im Bereich der
„Alten Meister“ präsentiert. Die zukünftige Schenkung der Sammlung Baechle darf als weiterer Glücksfall im Kontext einer geplanten „Galerie des 19. Jahrhunderts“ für das Museum Wiesbaden bezeichnet werden. In der Sammlung befinden sich zudem zwei bedeutende Arbeiten von Ernst Wilhelm Nay (1902—1968). In einer eigenen Sammlungspräsentation werden sie parallel zur Ausstellung in der Galerie gezeigt.

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Einführung

Hans Thoma, Erinnerung an Orte, 1874. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Hans Thoma, Erinnerung an Orte, 1874. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Willkommen in unserer Gemäldesammlung aus dem 19. Jahrhundert.
Auf dem 19. Jahrhundert liegt ... 

ein besonderer Schwerpunkt des Museum Wiesbaden. Es zeichnet sich durch eine Vielfalt an künstlerischen Entwicklungen aus und wird deshalb auch „langes“ 19. Jahrhundert genannt. In diese Zeit fällt unter anderem die Entstehung des Jugendstils, dem wir uns in einer eigenen Abteilung widmen. Dort wie hier wird deutlich: Ein Museum lebt nicht allein von der eigenen Sammlung, sondern auch von privaten Stiftungen und Schenkungen. So entstammt ein wichtiger Beitrag zu unserer Präsentation des 19. Jahrhunderts der Sammlung Baechle.
Im Jahr 2020 hat uns das Wiesbadener Ehepaar Jan und Friederike Baechle seine Kunstsammlung anvertraut, von ihm selbst als „klein, aber fein“ charakterisiert. Die behutsam ausgewählten Werke ergänzen den Museumsbestand auf ideale Weise. Einer der Sammlungs-Schwerpunkte liegt auf Künstlern mit Bezug zu Hessen, und eine besondere Vorliebe hegten die Baechles für anti-akademische Werke, die sich nicht an dem damaligen Regelwerk der Kunsthochschulen orientierten. Weitere Gemälde aus dem 19. Jahrhundert verdanken wir dem Sammler Christopher Thomas.
Der Audioguide stellt Ihnen eine Auswahl der Schenkungen vor und erläutert die Bezüge zur Museumssammlung. So lässt sich hier eine Reise durch das lange 19. Jahrhundert unternehmen.
Wir wünschen einen anregenden Rundgang!

Autorin: Sabine Knapp

Mainz von Süden

Johann Caspar Schneider, Mainz von Süden, 1817. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Johann Caspar Schneider, Mainz von Süden, 1817. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Mit dem Entstehungsjahr 1817 ist dies das älteste Werk aus der Sammlung. Der Maler, Johann Caspar Schneider, war seinerzeit ... 

der führende Landschaftsmaler in Mainz und Umgebung. Die große Naturnähe seiner Werke verdankt sich auch der Tatsache, dass er Skizzen im Freien, vor Ort anfertigte – damals noch keine Selbstverständlichkeit.
Ein lichter, sommerlicher Himmel nimmt hier die ganze obere Hälfte des Bildraums ein; er spiegelt sich im Rhein. Rechts im Vordergrund steht ein modisch ausstaffiertes Paar, sein Blick geht auf Mainz. Links ragt die Stephanskirche aus der Stadtsilhouette empor, weiter rechts der Dom – allerdings mit nur einem Turm! Der Ostturm steht als Ruine da – eine Folge der Bombardierung des Jahres 1793, die einen großen Einschnitt für Mainz bedeutet hatte. Die von französischen Truppen besetzte Stadt wurde damals von einer Koalition aus Preußen und Österreichern belagert und erobert. Viele Gebäude erlitten schwere Schäden oder wurden gänzlich zerstört. Auch politisch bedeutete die Belagerung einen Wendepunkt, sie läutete das Ende des Kurfürstentums Mainz mit dem Bischof als weltlichem Regenten ein.
Für den Maler, Johann Caspar Schneider, bedeutete das, dass er sich auf eine neue Abnehmerschaft einzustellen hatte – statt der Kirche die Mainzer Bürger. Deren Interesse lag weniger in einer sachlichen Erfassung der Stadt als in einer stimmungsvollen Ansicht.
Indem Schneider – ganz im Sinne der Empfindsamkeit – im Vordergrund einen Schafhirten vor einer ruinösen Mauer zeigt, schafft er eine Stimmung des Wehmütigen und regt zur Reflexion über die Vergänglichkeit an.

Autorin: Sabine Knapp

Albaner Berge & Pont du Gard

Carl Morgenstern, Albaner Berge, 1836. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Carl Morgenstern, Albaner Berge, 1836. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Carl Morgenstern. Pont du Gard, 1841. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Carl Morgenstern. Pont du Gard, 1841. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Carl Morgenstern wurde im Jahr 1811 in eine Frankfurter Malerdynastie hineingeboren. Schon jung arbeitete er ...

nicht nur im Atelier, sondern direkt in der Natur. Dort fertigte er Ölstudien an und entwickelte ein gutes Gespür für verschiedene Lichtstimmungen. Die im Freien entstandenen Ölstudien dienten als Grundlage für Gemäldekompositionen. Doch Morgenstern selbst wertete sie als die gelungensten unter seinen Arbeiten, als vollgültige Werke. Dank der Schenkung Baechle können wir inzwischen drei dieser Studien präsentieren.
Mit Anfang 20 reiste Morgenstern nach Italien, wie es für eine klassische Künstlerausbildung üblich war. Dort entstand die Studie der „Albaner Berge“. Sie versetzt uns mitten auf ein einsames Plateau und führt den Blick auf eine herbe Landschaft in zarten, hellen Farben. Ganz anders muten die Gemälde an, mit denen Morgenstern zu Hause erfolgreich wurde; in ihnen entwirft er Italien als idealisiertes, romantisches Sehnsuchtsland.
Im Alter von 30 Jahren hatte Morgenstern sich genügend erwirtschaftet, um eine weitere Reise in den Süden zu planen. In Frankreich besuchte er den Pont du Gard, ein antikes römisches Aquädukt in der Nähe von Nimes „war verdammt heiß“! schrieb er seinen Eltern. Beeindruckt blieb er ganze acht Tage und nahm sich Zeit für Ölstudien – an anderen Orten zeichnete er nur, um keine Trocknungszeit einplanen zu müssen. In unserer Studie rückt er nahe an die oberen beiden Bogenreihen des Bauwerks, nutzt sie als Rahmen für die dahinterliegende Landschaft. Licht und Schatten, sonnenwarmes Mauerwerk und blauer Himmel bilden spannungsreiche Kontraste.

Autorin: Sabine Knapp

Mainlandschaft

Peter Burnitz, Mainlandschaft, 1860-70. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Peter Burnitz, Mainlandschaft, 1860-70. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Von Frankreich gingen entscheidende Impulse für die Malerei des 19. Jahrhunderts aus. Richtungsweisend für die ‚Landschafts‘-Malerei wurde  ... 

die „Schule von Barbizon“, eine lose Gruppe von Künstlern, die sich im Dorf Barbizon südlich von Paris zusammenfand. Sie schufen keine idealisierten Landschaften, sondern zielten auf einen realistischeren Zugang zur Natur ab, zeigten unspektakuläre Ansichten in kleinem Format. Man spricht von der „paysage intime“, der vertrauten Landschaft.
Wie diese Entwicklungen auch nach Deutschland ausstrahlten, zeigt die „Französische Landschaft mit Häusern“ des Frankfurter Malers Peter Burnitz. Er lebte über sechs Jahre in Paris und besuchte Barbizon mehrfach. Der promovierte Jurist war als Maler Autodidakt, er beschrieb sich wie folgt:

„Ich bin einmal nicht geschaffen weder für das Zimmer, nicht das Leben in einer großen Stadt. Wie sehne ich mich nach dem Augenblick, wo ich […] wieder in der reinen freien Natur ganz Mensch, d.h. Ich sein kann.“

Burnitz‘ beide „Mainlandschaften“ sind ganz klassisch aufgebaut, mit dem Fluss als Diagonale, die den Blick in die Tiefe führt. Besonders ist jedoch die Atmosphäre: Alles ist in ein diffuses, gedämpftes Licht getaucht. Die Luft wirkt feucht, eine grau-grünliche Farbpalette herrscht vor. Dadurch heben sich die Gemälde deutlich von der traditionellen Landschaftsmalerei mit ihrem italienisch-klaren Licht ab. Die Entdeckung der „heimatlichen“, nordischen Landschaft ist kennzeichnend für viele Künstler des 19. Jahrhunderts.

Autorin: Sabine Knapp

Ländlicher Winkel, Bauernhaus am Waldrand & Waldinneres

Anton Burger, Ländlicher Winkel, o.J. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Anton Burger, Ländlicher Winkel, o.J. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Anton Burger, Bauernhaus am Waldrand, o.J. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Anton Burger, Bauernhaus am Waldrand, o.J. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Anton Burger, Waldinneres, o.J. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Anton Burger, Waldinneres, o.J. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Wir schauen in den kleinen Raum wie in eine Puppenstube oder ... 

einen Guckkasten. Der Maler, Anton Burger, erreicht diesen Effekt, indem er die Hinterwand des Raums bildparallel ausführt. Gezeigt wird ein ärmlicher Raum in einem Bauernhaus – auf eine realistische Weise, ohne in kitschige Sozialromantik abzudriften.
Burger befasste sich mit alltäglichen, ländlichen Motiven. Seine Gemälde sind der Strömung des Realismus zuzuordnen, die von Frankreich ausging und von ihm wie auch anderen Frankfurter Künstlern begeistert aufgegriffen wurde. Ziel war die Alltagsrealität ins Bild zu bringen.
In den 1850er Jahren zog Burger mit anderen weg aus der Stadt und lebte in einem Dorf im Taunus, Kronberg. Die „Kronberger Malerkolonie“ sollte eine der ersten deutschen Malerkolonien werden!
Nicht nur motivisch, sondern auch stilistisch ging Anton Burger neue Wege, indem er teils mit grobem, pastosem Pinselstrich arbeitete. Sein „Bauernhaus am Waldrand“ verdanken wir der Sammlung Baechle. Besonders ist, wie modern Burger die Figuren darauf gestaltet: Die Person im Wald wird mit nur wenigen Strichen angedeutet, ist fast abstrakt. Ohne dass ihr Tun genau erkennbar wäre, stößt sie unsere Fantasie an, lässt uns Geschichten entwickeln. Ähnlich narrativ ist Burgers größeres Gemälde „Waldinneres“ aus der Sammlung Christopher Thomas. Auch hier zeigt der Maler eine Alltagsszene: Ein Wanderer mit Hund unterhält sich mit einem Bauern, der seine Ochsen am Bach saufen lässt. Umschlossen von der dichten Vegetation, sind die Figuren sind in einer Art Kreis angeordnet, was der beiläufig wirkenden Szene Spannung verleiht.

Autorin: Sabine Knapp

An der Rhön & Der weiße Hirsch

Valentin Ruths, An der Rhön, um 1880. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Valentin Ruths, An der Rhön, um 1880. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Valentin Ruths, Der weiße Hirsch, 1872. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Valentin Ruths, Der weiße Hirsch, 1872. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Diese Ölstudie „An der Rhön“ entstand direkt in der freien Natur. Im Vordergrund steht ...

eine sommerliche Blumenwiese in voller Pracht, weiter entfernt haben die Bauern schon gemäht und das Heu zu Haufen gerecht. Hinten weiden Kühe. Direkt in die Natur zu gehen, vor Ort zu beobachten – das hatte der Künstler, der Hamburger Valentin Ruths, in Düsseldorf an der Kunstakademie gelernt. Rund um die beiden Begründer der Düsseldorfer Landschaftsschule – Carl Theodor Lessing und Wilhelm Schirmer – war dort eine regelrechte Wanderbewegung entstanden.
Die romantischen Landschaftsgemälde aus Düsseldorf eroberten ab dem 2. Drittel des 19. Jahrhunderts die Kunstsammlungen und waren auch international erfolgreich. Dass die Landschaftsmalerei überhaupt als eigenständiges Genre anerkannt wurde, ist eine Entwicklung des 19. Jahrhunderts.
Ölstudien wie diese dienten als Ausgangsmaterial für Gemälde, welche die Künstler im Atelier aus verschiedenen Versatzstücken komponierten. Ein Beispiel für ein vollendetes Werk Ruths ist „der weiße Hirsch“. Genau in der Bildmitte sieht man ihn nach hinten davoneilen; am linken Bildrand steht ein Jäger, seine Begleiter liegen entspannt am Boden – das Auftauchen des Hirschs hat sie wohl überrascht. Diese erzählerischen Elemente sind typisch für die Düsseldorfer Malerschule. Die Hauptrolle bleibt hier jedoch der Natur überlassen, ihrem Werden und Vergehen, wie es sich in den märchenhaften, mächtigen Bäumen eines dichten Waldes zeigt.

Autorin: Sabine Knapp

Hügellandschaft mit Furt & Uferpartie in Saarburg 

Peter Becker, Hügellandschaft mit Furt, 1854. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Peter Becker, Hügellandschaft mit Furt, 1854. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Peter Becker, Uferpartie in Saarburg von Beurig gesehen, 1855. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Peter Becker, Uferpartie in Saarburg von Beurig gesehen, 1855. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Der Frankfurter Peter Becker war in verschiedenen Techniken zu Hause, doch die Zeichnung ... 

war ihm die liebste. Auf dem Werk aus der Sammlung Christopher Thomas nimmt sie fast malerische Züge an. Ruhig und friedlich liegt die Landschaft vor uns, während der ausgewaschene Weg darauf hindeutet, dass sie sich dann und wann verwandelt, wenn das stille Gewässer im Mittelgrund zum rauschenden Bach wird.
Der Reiter mit seiner Begleitung wirkt wie ein Teil der ihn umgebenden Natur. Becker selbst verbrachte viel Zeit im Freien. Er blieb heimatverbunden und verließ Deutschland nie, erwanderte sich – immer alleine – Rhein, Mosel und Saar. An die Saar führt auch das Werk aus der Sammlung Baechle; als Ölgemälde ist es eine Seltenheit in Beckers Oeuvre. Beschaulich wirkt das Städtchen Saarburg, wie es sich an den Hang schmiegt, geschützt von einer hohen Mauer und doch einladend durch das offenstehende Tor und die Fenster. Bei aller Harmonie erzielt Becker einen lebendigen Eindruck, indem er helle und dunkle Farbtöne gekonnt miteinander in Beziehung setzt, wenn er die mittelalterliche Architektur vor das schattige Laub der Bäume setzt.
Beckers Interesse an der Geschichte lässt sich auch an seinen äußerst detailgenauen Aquarellen erkennen, beispielsweise von der mittelalterlichen Burg Eltz. Der Rückgriff auf die Vergangenheit ist kennzeichnend für die Romantiker des 19. Jahrhunderts, auch die Denkmalpflege hat dort ihren Ursprung.

Autorin: Sabine Knapp

Krammetsvögel & Stillleben mit Hase 

Otto Scholderer, Krammetsvögel, 1866. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Otto Scholderer, Krammetsvögel, 1866. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Otto Scholderer, Stillleben mit Hase und Stechpalme, 1892. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Otto Scholderer, Stillleben mit Hase und Stechpalme, 1892. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Fast wirkt es, als würden wir vor einem altmeisterlichen Gemälde stehen. Der Maler, Otto Scholderer, kannte sicher die Stillleben ... 

Georg Flegels, der Jahrhunderte vor ihm ebenfalls in Frankfurt gelebt hatte. Zudem hatte sich Scholderer im Louvre beim Kopieren verschiedener Stillleben geschult. Doch anders als seinen Vorläufern ging es Scholderer weniger um eine Allegorie der Vergänglichkeit, sondern um die realitätsnahe Darstellung der dargestellten Objekte, ihrer Farbe und Materialität.
Sein Jagdstillleben von 1866 zeigt zwei „Krammetsvögel“, heute würden wir sagen: Wacholderdrosseln. Früher fing man sie mit Schlingen, es waren beliebte Speisevögel. Mit großem Geschick gibt Scholderer die Wand wieder, vor der die Wacholderdrosseln hängen, man meint, die Mauer fast fühlen zu können. Sie kontrastiert mit dem flauschigen Gefieder. Eine der Wacholderdrosseln ist von vorn, die andere von hinten wiedergegeben, so dass eine umfängliche Charaktersierung der Vogelart gegeben ist.
Interessant ist, dieses Werk aus der Schenkung Baechle mit einem anderen Stillleben Scholderers aus dem Werkbestand des Museum Wiesbaden zu vergleichen: dem Stillleben mit Hase und Stechpalme, das fast drei Jahrzehnte später entstand. Dort arbeitet Scholderer mit einer größeren Farbpalette, die einzelnen Töne kommen vor dem dunklen Grund wirkungsvoll zur Geltung. Auch zeigt er nun mehr unterschiedliche Materialien – Keramik, Marmor, Blätter. Durch ihre Kombination steigert er die stoffliche Wirkung seiner Malerei.

Autorin: Sabine Knapp

Erinnerung an Orte & Meer bei Liverpool

Hans Thoma, Erinnerung an Orte, 1874. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Hans Thoma, Erinnerung an Orte, 1874. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Hans Thoma, Meer bei Liverpool, 1879. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Hans Thoma, Meer bei Liverpool, 1879. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Aus erhöhtem Standpunkt beobachten wir zwei Reiter, fast, als würden wir ihnen auflauern. In rasantem Galopp stürmen ... 

sie die Bergstraße entlang, ein Hauch von Abenteuer umweht sie. Ihr Weg führt sie in eine fantastisch wirkende Landschaft. Unzugänglich auf einem Tuffsteinfelsen thront ein kleiner Ort.
Hinter dieser Szene steckt ein reales Erlebnis. Hans Thoma, der Maler, schrieb über seine Fahrt mit der Postkutsche ins italienische Bergdörfchen Orte:

„Dieselbe war von berittenen Karabinieren begleitet, ein Zeichen, daß der ziemlich lange Eichenwald doch nicht für so ganz harmlos galt; – somit habe ich auf der Reise auch ein bißchen Brigantengruseln gehabt [..].“

Laut Meyerschem Konversationslexikon galt Hans Thoma im Jahr 1909 als der „Lieblingsmaler des deutschen Volkes“. Bis dahin war es allerdings ein weiter Weg – Thoma stammte aus einfachen Verhältnissen und musste sich seinen Platz in der Kunstwelt erst erobern. Wichtig für seine Karriere war die Förderung durch einen in Liverpool lebenden Frankfurter namens Charles Minoprio. Minoprio sammelte Thomas Werke, verschaffte ihm seine erste Ausstellung und lud ihn nach England ein. Dort entstand „Meer bei Liverpool“. Fast menschenleer und ohne erzählerisches Beiwerk, wirkt die Ansicht äußerst modern. Die Küste ist in eine alles verbindende Farbigkeit getaucht, Strand, Meer und Himmel scheinen fast ineinander überzugehen.
Die beiden Gemälde aus der Sammlung Baechle ergänzen den bisherigen Thoma-Bestand des Museums, indem sie den Einfluss seiner Auslandsreisen vor Augen führen.

Autorin: Sabine Knapp

Die Quitzowburg & Akaba

Eugen Bracht, Die Quitzowburg, 1902. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Eugen Bracht, Die Quitzowburg, 1902. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Eugen Bracht, Akaba, 1881. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Eugen Bracht, Akaba, 1881. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Inmitten der Natur erhebt sich eine trutzige Ruine; Maueröffnungen geben Durchblicke ...  

auf die flache Landschaft frei. Der Maler Eugen Bracht arbeitet gekonnt mit dem Licht, das auf einen Mauerrest fällt und dessen Stärke betont, während der Efeu andere Bereiche dunkel überwuchert. Wo nun junge Bäume nach oben schießen, haben wohl einst Menschen gelebt – der Maler Eugen Bracht interessierte sich für solche von Geschichte durchtränkten Landschaften.
Ende des 19. Jahrhunderts zählte Bracht zu den bekanntesten deutschen Landschaftsmalern. Wie er die Ruine inszeniert und monumentalisiert, darin zeigt sich seine Verwurzelung in der Romantik. Er selbst beschrieb seine künstlerische Entwicklung folgendermaßen:

„In der Romantik geboren, durch den Naturalismus durchgegangen und schliesslich zum Impressionistischen gelangt“

Auf die Ruine der Burg Quitzow stieß Bracht bei einer Exkursion mit Studenten. Bracht lehrte zunächst an der Berliner Akademie, doch seine Offenheit für neue Strömungen wie den Impressionismus führte zum Konflikt mit Kaiser Wilhelm II. Er wechselte deshalb im Jahr 1901 nach Dresden.
Das „Kapital“ eines Landschaftsmalers waren seine Studien vor Ort, die als Grundlagen für Gemälde dienten. Bracht war ein unermüdlicher Reisender, vor allem in deutschen Regionen, gelangte jedoch auch in den Vorderen Orient. Von dort brachte er unsere aus der Schenkung Baechle stammende Ölskizze der Oase Akaba mit. Bracht begeisterte sich für die Palmen. Sie stehen in reizvollem Kontrast zur Kargheit der in die Tiefe gestaffelten Landschaft.

Autorin: Sabine Knapp

Frau im Kohlfeld

Max Liebermann, Frau im Kohlfeld, 1873. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Max Liebermann, Frau im Kohlfeld, 1873. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Gebückt arbeitet eine Frau auf dem Feld; das Motiv ist charakteristisch für das Frühwerk ... 

von Max Liebermann. In den 1870er Jahren begründete er seinen Ruf als fortschrittlicher deutscher Maler. Liebermann zeigte die Landbevölkerung ganz sachlich – beim Gänserupfen, Rübenhacken, Flachsziehen – ohne die soziale Realität anzuprangern oder ins Sentimentale abzudriften.
Ob die Frau hier Kohl oder eher Kartoffeln erntet, bleibt unklar, denn der Künstler behandelt das Motiv eher summarisch, arbeitet mit pastosem Pinselstrich. Farblich setzt nur das weiße Kopftuch die Frau von der Landschaft ab.
Von Bedeutung für diese Motive war Liebermanns Begegnung mit dem Realismus der Schule von Barbizon, wo sich der Künstler im Jahr 1874 aufhielt – dies trotz der damaligen deutsch-französischen Feindseligkeit, der Krieg lag nur drei Jahre zurück.
Sammlungsgeschichtlich ist es ein besonderer Glücksfall, dass diese Studie seit 2020 dank der Schenkung Baechle im Museum Wiesbaden beheimatet ist. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte das Museum bereits einen „Kartoffelpflücker“ Liebermanns erworben – diesen in den 1930er Jahren jedoch wieder abgestoßen. Denn es widersprach der nationalsozialistischen Kulturpolitik, Werke eines jüdischen Künstlers wie Liebermann zu besitzen.
Aus dem späteren Werk Liebermanns, als er zu einem renommierten Vertreter des deutschen Impressionismus geworden war, sind im Museum zwei repräsentative Porträts erhalten. Eines davon zeigt Heinrich Kirchhoff, einen Wiesbadener Sammler, mit dem Liebermann befreundet war. Liebermann hat Wiesbaden mehrfach besucht, auch zu Kuraufenthalten.

Autorin: Sabine Knapp

Unbekannte Dame & Wildenten

Wilhelm Trübner, Unbekannte Dame nach rechts, 1882. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Wilhelm Trübner, Unbekannte Dame nach rechts, 1882. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Wilhelm Trübner, Wildenten, 1873. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Wilhelm Trübner, Wildenten, 1873. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Aus dem dunklen Hintergrund tritt plastisch eine Frauenbüste hervor. Die Porträtierte ... 

scheint innezuhalten, ist ganz bei sich – wir als Betrachter nehmen teil an dem Moment, ohne ihr zu nahe zu treten und ihre Intimität zu stören. Ihre Ernsthaftigkeit wird durch die in die Stirn fallenden Strähnen gemildert.
Das äußerst feinfühlige Porträt stammt von Wilhelm Trübner, die Dargestellte ist unbekannt – möglicherweise handelt es sich um eine Schauspielerin. Für die Welt des Theaters hegte Trübner zeitlebens eine große Faszination.
Technisch interessant ist die grob schraffierte Bluse, an manchen Stellen wurde die Farbe mit dem Palettenmesser abgetragen. Daraus ergibt sich eine Nähe zu dem Realisten Gustave Courbet und auch der Schule von Barbizon.
Trübner lehrte in Frankfurt an der Städelschen Kunstschule und stand schon früh in Verbindung zu Wiesbaden, denn der hiesige Augenarzt Hermann Pagenstecher sammelte seine Werke. Trübners „Entenstillleben“ war als Leihgabe Pagenstechers in der Eröffnungsausstellung des Museums im Jahr 1915 hier ausgestellt. Über die Baechle-Schenkung ist es etwas mehr als ein Jahrhundert später zum Bestandteil unserer Sammlung geworden. Außergewöhnlich ist die das Bild bestimmende Schwärze; wer sich einsieht, kann eine Fülle verschiedenster Schwarztöne unterscheiden und einen Korb entdecken.
In der Düsternis findet der Tod der Tiere seinen Ausdruck. Zugleich tritt das Motiv der Enten hier in den Hintergrund, das Stillleben ist zuallererst Anlass für ein Farbexperiment. Nicht das WAS, sondern das WIE der Darstellung stehen für Trübner im Vordergrund.

Autorin: Sabine Knapp

Stückgarten & Parkmauer

Wilhelm Trübner, Stückgarten im Heidelberger Schloss, 1873. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Wilhelm Trübner, Stückgarten im Heidelberger Schloss, 1873. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Wilhelm Trübner, Parkmauer in Amorbach, 1899. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Wilhelm Trübner, Parkmauer in Amorbach, 1899. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Wilhelm Trübners „Stückgarten“, ein historischer Garten am Heidelberger Schloss, kommt ohne Staffagefiguren aus ... 

und konzentriert sich ganz auf die Natur. Schwer hängen die Wolken am Himmel, das Licht wirkt kühl. Die Farben sind auf eine kleine, aufeinander abgestimmte Auswahl reduziert, sie sind fleckenhaft aufgetupft, was zum genauen Hinsehen auffordert.
Wer den Heidelberger Stückgarten besucht, wird dort die Aussicht aufs Neckartal genießen können – doch bei Trübner lenkt keine Tiefenperspektive den Blick ab, er wird im Vordergrund, bei den fein abgewogenen Abstufungen der Grüntöne gehalten.
Mehr als 20 Jahre liegen zwischen dem „Stückgarten“ und der „Parkmauer“, auch dies ein Motiv von einem historischen Ort, dem Barockkloster Amorbach im Odenwald. Wie auch beim „Stückgarten“ interessiert sich Trübner nicht für die dortige beeindruckende Architektur. Er konzentriert sich auf eine unscheinbare Mauer, in deren Dunkel verschiedenste Farben schillern, und den Bach, den er in einen Fluss aus Farbe verwandelt – er zeigt, was Malerei kann.

Autorin: Sabine Knapp

Goldregen

Alfred N. Oppenheim, Goldregen, 1909. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Alfred N. Oppenheim, Goldregen, 1909. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Das Gemälde zeigt einen Ausschnitt aus einem Garten, wie zufällig gewählt, mit dem Effekt, dass man beim Betrachten ganz unmittelbar hineingezogen wird. ...

Ein Reigen aus lichten Grüntönen bestimmt das Bild - beim genauen Hinsehen lassen sich Goldregen und vielleicht Johannisbeersträucher erkennen, im Hintergrund kann man ein rötliches Backsteingebäude erahnen. Die Malerei hat hier weniger eine abbildende Funktion, sondern gibt einen Eindruck wieder, eine - Impression. Entscheidende Anregungen hatte der Künstler, der Frankfurter Alfred Nathaniel Oppenheim, von den Impressionisten aus Frankreich erhalten. Auf sie verweist die Maltechnik mit den nebeneinander getupften Farbflecken wie auch die helle Farbpalette. Am unteren Bildrand sehen Sie „Saint Cloud“ vermerkt, ein Ort unweit von Paris, wo Oppenheim regelmäßig Zeit verbrachte. “Goldregen“ entstand „en plein air“, direkt in der freien Natur.
Oppenheims Werk ist leider nur bruchstückhaft erhalten. Der Grund dafür liegt in den politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, zog der französische Staat viele Werke Oppenheims ein, die sich in Frankreich befanden. 25 Jahre später, 1939, musste Oppenheim als Jude aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach London fliehen. Sowohl seine eigenen Werke als auch seine Sammlung von Kunst und Ostasiatika blieben in Deutschland zurück, sie wurden beschlagnahmt und versteigert.
Über 100 Werke Oppenheims sind bis heute verschollen.

Autorin: Sabine Knapp

Blumenstillleben

Eugen Spiro, Blumenstillleben mit weißen Narzissen und roten Tulpen, um 1921. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Eugen Spiro, Blumenstillleben mit weißen Narzissen und roten Tulpen, um 1921. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Ein Frühlingsstrauß aus Narzissen und Tulpen steht in einer schlichten Vase, die Blüten sind voll erblüht ...

und neigen sich teils schon welkend nach unten. In der Tischdecke findet sich das warme Rot der Tulpen wieder, das Weiß von Vase, Wand und Narzissen hebt sich davon ab. Die kühleren Weiß- und Grüntöne verleihen dem Gemälde eine zurückhaltende Eleganz.
Eugen Spiro war vor allem durch seine eleganten Damenporträts bekannt; das Gemälde zählt zu seinen wenigen Stillleben. Entstanden ist es in den 1920er Jahren, auf dem Höhepunkt von Spiros Karriere. Dass sein Name heute nur wenigen bekannt ist, liegt in den Wechselfällen des 20. Jahrhunderts begründet. Zur Zeit der Weimarer Republik war der Künstler berühmt – zu seinem Freundeskreis zählte das ‚Who is Who‘ der damaligen Kulturszene, und er war auch kulturpolitisch tätig, amtierte beispielsweise als Vorstand der Berliner Sezession. Hier in Wiesbaden beauftragte ihn die Firma Henkell mit einem Gemälde, das es zu Werbezwecken verwendete – es gibt das mondäne Lebensgefühl der damaligen Zeit wieder. Als Jude musste Spiro im Jahr 1935 vor den Nationalsozialisten fliehen und gelangte in die USA. Seine Bekanntheit in Deutschland hat darunter bis heute gelitten.
Spiros Lebensdaten umspannen fast ein ganzes Jahrhundert, von 1874 bis 1972, und seine künstlerische Karriere wurzelt noch im Jugendstil. Bilder Franz von Stucks, dessen Meisterschüler Spiro in München war, können Sie in unserer Jugendstilabteilung entdecken.
Dort finden Sie auch ein weiteres Gemälde, auf dem die Narzisse ins Bild gesetzt wird - Oskar Zwintschers „Bildnis mit gelben Narzissen“ von 1906.

Autorin: Sabine Knapp

Ausstellungsansichten

alle Ausstellungsansichten. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
alle Ausstellungsansichten. Foto: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

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