Monuments Men

Historisches Foto der ausgestellten Nofretete 1951, Fotograf unbekannt

Monuments Men

„Gerade die Geschichte unseres Hauses zeigt uns in aller Deutlichkeit, welchen Wert und welche Bedeutung die Bewahrung der Kulturgüter für die Gemeinschaft, aber auch für jede/n Einzelne/n hat. Besonderes Augenmerk legen wir dabei auf unrechtmäßig entzogenes Kulturgut, das wo immer möglich, den rechtmäßigen Eigentümerinnen und Eigentümern zurückzugeben ist.“

Dr. Jörg Daur
Stellvertretender Direktor und Kustos moderne und zeitgenössische Kunst

Central Collecting Point
im Museum Wiesbaden

Das Museum Wiesbaden durchlebte während des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren danach eine wechselvolle Geschichte. Von 1935 bis 1945, unter der Direktion von Hermann Voss, brach die dunkelste Zeit des Museums an. Voss war Sonderbeauftragter für ein von den Nationalsozialisten geplantes Linzer „Führermuseum“ und erwarb während seiner Amtszeit zahlreiche hochkarätige Gemälde, die in jüngerer Zeit auf ihre rechtmäßige Provenienz hin untersucht werden mussten oder aktuell noch untersucht werden. Nach Kriegsende wurde das Gebäude zum „Central Collecting Point" der amerikanischen Truppen als Sammelstelle der in Bergwerken verborgenen Kunstschätze aus Berlin – darunter beispielsweise die Büste der Nofretete (Ägyptisches Museum und Papyrussammlung im Neuen Museum) oder der Mann mit dem Goldhelm aus Rembrandts Umkreis (Gemäldegalerie), aber auch zu einem zentralen Ort für die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter. Organisiert von der „Monuments, Fine Arts & Archives Section“ wurden 345 Kunstschutzoffiziere, die „Monuments Men“ und „Monuments Women“ damit betraut, die kulturellen Schätze im zerstörten Nachkriegsdeutschland zu schützen und zu bewahren.

Das Wiesbadener Manifest

Am 7. November 1945 protestierten US-Offiziere mit dem Wiesbadener Manifest gegen den Abtransport von über 200 bedeutenden Kunstwerken aus deutschen Museen in die Vereinigten Staaten.

Dieses Manifest (einem Protestschreiben von 1945, das Kunstwerke vor ihrem Transport in die Vereinigten Staaten bewahren sollte) ist bis heute ein Dokument hoher ethischer und kulturpolitischer Verantwortung, wie es sie unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg nur selten gab.

U.S. Streitkräfte, europäischer Kriegsschauplatz Deutschland

1. Wir, die unterzeichnenden Monuments-, Fine Arts- and Archives-Spezialoffiziere der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, möchten unsere Überzeugung kundtun bezüglich des Abtransports von Kunstwerken aus dem Eigentum deutscher Einrichtungen und Staatsbürger in die Vereinigten Staaten zum Zwecke der Sicherheitverwahrung.

2. a. Wir sind einmütig der Auffassung, daß die Verbringung solcher Kunstwerke, ausgeführt von der Armee der Vereinigten Staaten auf Anweisung der höchsten nationalen Autorität, ein Präzedenzfall begründet, der weder moralisch vertretbar noch verständlich zu machen ist.

b. Seit Kriegseintritt der Vereinigten Staaten war es erklärte Politik der Alliierten Streitkräfte, soweit militärische Notwendigkeiten dies erlaubten, sämtliche Monumente, Dokumente oder sonstigen Gegenstände von historischem, künstlerischem, kulturellem oder archäologischem Wert vor Beschädigung durch Kriegseinwirkung zu bewahren. Der Krieg ist beendet und keinerlei Doktrin „militärischer Notwendigkeit“ kann zur weiteren Sicherstellung der zum Abtransport vorgesehenen Gegenstände angerufen werden, da geeignete Depots in Betrieb genommen sind und unter Leitung fachkundigen Personals ihre Aufgabe erfüllen.

c. Die alliierten Nationen bereiten sich gegenwärtig darauf vor, einzelne Personen für die Straftat der unter dem Vorwand der „Sicherstellung“ erfolgten Beschlagnahmung kultureller Schätze in den von Deutschland besetzten Ländern vor Gericht zu stellen. Ein Großteil der Anklagen folgt der Argumentation, daß von diesen Personen, obgleich militärischen Befehlen unterstehend, zu erwarten gewesen wäre, im Namen eines höheren moralischen Gesetzes eine Beteiligung an deren Ausführung zu verweigern und sie zu mißbilligen. Wir, die Unterzeichnenden, sehen uns dazu verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß wir, obwohl Mitglieder der Streitkräfte, bei Ausführung der erhaltenen Befehle vor klaren Blicken nicht weniger schuldig dastehen als diejenigen, deren  Verurteilung wir vorgeben zu billigen.

3. Wir möchten darauf hinweisen, daß unseres Wissens keine historische Kränkung so langlebig ist wie die aus welchem Grunde auch immer erfolgende Wegnahme eines Teils des kulturellen Erbes einer Nation, sei es auch, daß dieses Erbe als Kriegstrophäe aufgefaßt wird. Und obwohl diese Entfernung in altruistischer Absicht erfolgt, halten wir es nichtsdestoweniger für unsere Pflicht, individuell und gemeinschaftlich dagegen zu protestieren. Bei allen Verpflichtungen gegenüber der Nation, der wir Gefolgschaft schulden, gibt es weitere Verpflichtungen zu allgemeiner Gerechtigkeit und Anstand sowie zur Etablierung der Macht des Rechts, nicht der Gewalt, unter zivilisierten  Nationen.

Deutsche Übersetzung nach:
Friemuth, Cay: Die geraubte Kunst. Der dramatische Wettlauf um die Rettung der Kulturschätze nach dem Zweiten Weltkrieg (Entführung, Bergung und Restitution europäischen Kulturguts 1939–1948). Mit dem Tagebuch des britischen Kunstschutzoffiziers Robert Lonsdale Charles, Braunschweig 1989.

Siehe auch:
Farmer u.a.: Wiesbadener Manifest (1945), kommentiert von Tanja Bernsau und Elisabeth Furtwängler, in: Translocations. Anthologie: Eine Sammlung kommentierter Quellentexte zu Kulturgutverlagerungen seit der Antike, 2020.

HIER geht es zum englischen Originaltext (externer Link).

„Geschichte zum Anfassen!“

Das im Rahmen des Kulturförderprogramms „Hessen kulturell neu eröffnen“ geförderte Projekt „Sonic Memory“ ehrt die Arbeit dieser besonderen Einheit der US-Armee mit einer Outdoor-Hörstation vor dem Museum Wiesbaden. Mithilfe einer Handkurbel können Besucherinnen und Besucher selbst Strom erzeugen und sechs Tonstücke in deutscher und englischer Sprache anhören.

Die Audiospuren erzählen vom Central Collecting Point, dem ersten Leiter Walter Ings Farmer und dem von ihm initiierten „Wiesbaden Manifesto“ wie auch dem heute aktueller denn je erscheinenden Thematik von Provenienzforschung und Restitution. Darüber hinaus erklingt aus der Station sogar eine historische Tonaufnahme des Monuments Man Kenneth Lindsay im Gespräch über die Büste der Nofretete aus den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin und ein Stück berichtet über einen der Direktoren des Collecting Points.

„Wiesbaden Manifesto“ (deutsch)
Nofretete — Kenneth Lindsay im Gespräch (englisch)
Die Hörstation von Jürgen Czwienk in den Kolonnaden des Museums Wiesbaden. Fotos: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert
Die Hörstation von Jürgen Czwienk in den Kolonnaden des Museums Wiesbaden. Fotos: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Realisiert wurde das Projekt von Jürgen Czwienk, Autor und Regisseur, dem Museum Wiesbaden mit Unterstützung der Freunde des Museums Wiesbaden e.V., dem Wiesbadener Kunstatelier Sonic Memory - Outdoor Hörstationen und der Monuments Men Foundation Dallas, TX. Czwienk hat bereits ähnliche Hörstationen in Gedenken an historische Ereignisse oder Persönlichkeiten errichtet, darunter beispielsweise vor der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt und Leipzig oder dem Stuttgarter Stadtpalais. Weitere Stationen sind in Planung, darunter auch am New Orleanser National WWII Museum.

MuWi-Tipps

Literatur

Die Wiesbadenerin Dr. Tanja Bernsau hat zu den Monuments Men und dem Collecting Point im Landesmuseum Wiesbaden promoviert:

Tanja Bernsau (Hrsg.)
Die Besatzer als Kuratoren? Der Central Collecting Point Wiesbaden als Drehscheibe für einen Wiederaufbau der Museumslandschaft nach 1945
640 Seiten
Münster: LIT Verlag, 2013
zugl. Univ., Diss., Mainz 2013
ISBN 978-3-643-12355-8
64,90 Euro

Film

Auch Hollywood hat sich der spannenden Geschichte der Monuments Men angenommen. In dem Film mit u.a. George Clooney und Matt Damon begeben sich insgesamt sieben britische und amerikanische Kunstexperten, alternde Museumsdirektoren, Professoren und Koratoren, auf die Suche nach wichtigen Kunstschätzen, um sie vor den Nazis zu bewahren und den rechtmäßigen Besitzern zurückzubringen. Droht die Mission ein Himmelfahrtskommando zu werden?

Hier geht es zum offiziellen Trailer.

Monuments Men and Women Museum Network

2021 ist von der Monuments Men Foundation for the Preservation of Art (MMF) das Mouments Men and Women Museum Network ins Leben gerufen worden. Viel Zuspruch hat das Network bisher vor allem in den Vereinigten Staaten gefunden, darunter das Cincinnati Art Museum, das Isabella Steward Gardner, das Toledo Museum of Art oder das Kimbell Art Museum.

Seit 2021 ist das Museum Wiesbaden Teil des Netzwerks.

Fördermitglieder des MMF haben freien Eintritt in das Museum Wiesbaden.

Hier geht es zur offiziellen Homepage

Geocache

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