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Beuys — Warhol

GRUSSWORT

Joseph Beuys, Honigpumpe am Arbeitsplatz. Foto: Alwis Wilmsen

Das Museum Wiesbaden gratuliert Joseph Beuys zum 100. Geburtstag!

Joseph Beuys wäre am 12. Mai einhundert Jahre alt geworden. Er erlag jedoch bereits im Jahr 1986 einer Lungenkrankheit, ein Jahr später starb auch Andy Warhol. Joseph Beuys und der sieben Jahre jüngere Warhol hatten sich 1979 kennengelernt. In jenem Jahr hatte Beuys im Herbst eine erste große Retrospektive im Guggenheim-Museum in New York. Die Bekanntschaft mit Warhol machte er aber bereits im Mai 1979 in Düsseldorf. Die Begegnung wurde damals zum Gipfeltreffen zweier Kunstgiganten hochgejazzt. Dabei erwähnte Beuys — gut dokumentiert in einem überlieferten Filmdokument — gegenüber Warhol nur, dass er ihn eigentlich schon lange einmal hätte treffen wollen, es fast in Darmstadt schon einmal dazu gekommen wäre…. Und Wahrhol wiederum fragte, ob er vielleicht schnell ein Foto von Beuys machen dürfe — und zückte flugs seine allzeit bereite Pocketkamera.

Beuys selbst war bereits fünf Jahre zuvor in den USA gewesen. Damals aber „verweigerte“ er jeglichen Kontakt, nicht in erster Linie zu Warhol, sondern zu den New Yorkern allgemein. Obwohl seine damalige Performance den Titel trug I like America and America likes Me (1974) suchte er nur Kontakt zu einem Coyoten — und damit zu einem anderen Amerika, außerhalb und verdrängt von Manhattans Glitzerwelt. Nichts schien damals ferner als die schillernden Oberflächen der Werbebranche, der Kunst-Factory Andy Warhols und dem „american way of life“ im Allgemeinen und im Besonderen. Und dennoch, die beiden Künstler hatten sich wohl doch mehr zu sagen, als diese Differenz und die erste Begegnung in Düsseldorf vermuten ließ. Monate später gab es ein erneutes Treffen in New York, bei dem auch die legendäre Aufnahme für Warhols Beuys-Serie entstand. Und von Warhol selbst ist ein schönes Zitat überliefert, das durchaus von Interesse, wenn nicht sogar Verständnis für Beuys gesellschaftspolitischen Ansatz zeugt: ‘I like the politics of Beuys. He should come to the US and be politically active there. That would be great... He should be President.’

Plakat, I like America and America likes Me (Coyote). Foto: Museum Wiesbaden / Ed Restle
Plakat, I like America and America likes Me (Coyote). Foto: Museum Wiesbaden / Ed Restle
Capri Batterie, 1985. Foto: Museum Wiesbaden / Peter Quirin
Capri Batterie, 1985. Foto: Museum Wiesbaden / Peter Quirin
Beuys vor der Düsseldorfer Akademie. Foto: Axel Hinrich Murken
Beuys vor der Düsseldorfer Akademie. Foto: Axel Hinrich Murken
Beuys mit Zitronenbaum. Foto: Axel Hinrich Murken
Beuys mit Zitronenbaum. Foto: Axel Hinrich Murken

Aber auch darüber hinaus lohnt ein Zusammendenken der beiden zunächst so gegensätzlich erscheinenden Positionen. Denn beide machten aus ihrer Existenz einen Mythos, verhalfen alltäglicher Begegnung zu einer Aura — schlicht: gaben die Trennung zwischen eigener Person und künstlerischem Werk vollkommen auf. Wenn Beuys auftrat, handelte, dozierte, dann tat er dies als Künstler — zugleich aber auch als Joseph Beuys, der davon absolut nicht mehr zu trennen war. Und in ebensolcher Weise agierte Andy Warhol. Wo Beuys mit dem eigenen Mythos verschmolz und alles mit Bedeutung auflud, betonte Warhol die Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit der Welt in der er lebte, leben wollte und die er mit seiner ganzen Existenz zelebrierte. Beide bildeten dabei — verkürzt gesagt — die Historie, aber auch Gegenwart ihrer Gesellschaft ab: Abendland, Jahrtausende alte Tradition (auch kunsthistorisch) vs. Neue Welt und unbegrenzte Möglichkeiten — oder aber in kritischem Blick: Entfremdung und sinnliche Verkümmerung des modernen Menschen auf der einen, aufziehender Turbokapitalismus und Verlust der eigenen Identität im Meer der Beliebigkeiten, also die inzwischen sprichwörtlichen fünf Minuten Berühmtheit für jeden, auf der anderen Seite.

Von Beuys ist belegt, nicht nur durch sein politisches Engagement für direkte Demokratie und die Gründungbewegung der Grünen, dass er sich als Künstler immer auch als Arbeiter an der Gesellschaft verstand. Aber auch Warhol war wohl mit seinem Schaffen und seiner Person weit mehr als nur Spiegel seiner „Welt“. Beide Künstler stehen wie zwei Seiten einer Medaille für einen Umbruch und Aufbruch in der Kunst, das (eigene) Leben als Kunstwerk zu begreifen und damit enorme und (er)neue(erte) Kräfte freizusetzen.

Alles Gute zum 100sten, lieber Jupp!

Postkarte, Boxkampf für direkte Demokratie, 1972. Foto: Museum Wiesbaden / Peter Quirin
Postkarte, Boxkampf für direkte Demokratie, 1972. Foto: Museum Wiesbaden / Peter Quirin
Rose für direkte Demokratie, 1973. Foto: Museum Wiesbaden / Peter Quirin
Rose für direkte Demokratie, 1973. Foto: Museum Wiesbaden / Peter Quirin

Das Museum Wiesbaden ehrt den Ausnahmekünstler Joseph Beuys mit einem vielfältigen Programm aus Vorträgen, immersiven Perfomances und Gesprächen. Die Interventionen Beuys 100  finden im Zeitraum vom 3. Juli—12. Oktober 2021 im Museum Wiesbaden und auf Schloss Freudenberg statt. Das Programm finden Sie in unserem Kalender.

Hier finden Sie das Begleitprogramm zur Ausstellung, sobald es im Veranstaltungskalender veröffentlich wurde.

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Jana Merseburg und Pascale Regnault!

Joseph Beuys, Capri-Batterie, 1985
Joseph Beuys, Rose für die Demokratie, 1973

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